Mehr Inklusion am KI-Markt

Verein Responsible Annotation startet mit einer Training-Station

Gründerteam des Vereins Responsible Annotation. v.l.n.r: Beate Fabian, Lukas Fischer, Martin Hartl, Markus Wurm © Wolfgang Hartl, Responsible Annotation

13.04.2023

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Jobkiller und nimmt Arbeitsplätze weg – das hört und liest man oft. Genau das Gegenteil ist beim neu gegründeten Verein Responsible Annotation der Fall. Dieser setzt sich für die Förderung von Inklusion im KI-Umfeld ein. Dank KI finden Menschen mit Beeinträchtigungen neue Jobmöglichkeiten. 

Bildannotation: Damit die KI lernen kann

Die Annotation, also das Hinzufügen von Informationen und Kennzeichnungen zu Daten, ist eine grundlegende Tätigkeit im Bereich der KI. Die annotierten Daten werden verwendet, um KI-Systeme zu trainieren und zu verbessern. „Was unsere Mitarbeiter:innen machen, kommt zum Beispiel bei der Erkennung von Fahrzeugklassifikation und Autokennzeichen für Mautsysteme zum Einsatz“, erklärt Martin Hartl, der Vereinsvorsitzende. Bislang haben vor allem Menschen ohne Beeinträchtigungen diese Tätigkeit meist in einem sehr prekären Arbeitsmarkt durchgeführt, vorrangig in Billiglohnländern. Ein Annotationsmarkt mit fairen Arbeitsverhältnissen fehlt in Österreich. Responsible Annotation möchte das ändern und setzt sich dafür ein, dass auch Menschen mit Beeinträchtigungen Zugang zu dieser Tätigkeit erhalten. „Inklusion und Vielfalt sind auch für die Entwicklung von KI-Systemen unerlässlich“, sagt Hartl. „Menschen mit Beeinträchtigungen bringen oft hervorragende Fähigkeiten mit, die für Annotation besonders wertvoll sind, wie beispielsweise eine hohe Aufmerksamkeit für Details. Sie sind keine Zielgruppe für uns, sondern eine besondere Kompetenzgruppe.“ 

Gemeinsame Entwicklung einer Trainings-Station

Im Vienna Impact Hub nahmen Peer-Vertretungen, Forschungs- und Entwicklungsexpert:innen sowie Integrationsfachdienste von zehn Sozialinstitutionen aus Wien und Linz auf Einladung von Responsible Anntation an einem Start-Workshop teil. Ziel des Vereins ist, eine Training-Station zu entwickeln, die über den digifonds der Arbeiterkammer Wien gefördert wird und die einen niederschwelligen und barrierefreien Zugang zum Thema KI und Annotation liefern soll. Zudem sollen Betroffene und Integrationsfachdienste mit dem Online-Tool Feedback bekommen, wer gut für diese Tätigkeit geeignet sein kann. Dominik Laister vom Forschungsinstitut für Entwicklungsmedizin an der JKU erklärt: „Wir möchten im Zuge eines praxisnahen und partizipatorischen Evaluierungsdesigns die Entwicklung des Online-Tools begleiten. Dabei werden autistische und gehörlose Personen in der Entwicklung der Versuchsreihe und des Annotationstools mitarbeiten. Dadurch sollen individuelle Leistungsprofile beider Gruppen erkannt, Stressparameter erfasst und adaptive Rahmenbedingungen evaluiert werden. 

Der Fokus richtet sich vorerst auf Autist:innen und Gehörlose, der Blickwinkel soll aber auch erweitert werden, beispielsweise in Richtung Sehbeeinträchtigung, körperliche Einschränkungen oder psychische Diagnosen. 

An der technischen Forschung und Entwicklung beteiligt ist auch das Software Competence Center Hagenberg (SCCH), das seine Expertise im Bereich der angewandten KI-Forschung, insbesondere was die Anforderungen bzgl. Datenqualität und automatisierter Qualitätsbeurteilung von manuellen Annotationen sowie Entwicklung entsprechender mathematischer Metriken zur Evaluierung betrifft einbringt. Des Weiteren unterstützt das SCCH bei der softwareseitigen Umsetzung der Trainings-Station. „Annotierte Daten in sehr guter Qualität bilden die Grundlage für leistungsstarke und akkurate KI-Algorithmen. Die Annotierungsarbeit an sich ist aber, gerade im Hinblick auf Genauigkeit und große Datenmengen, sehr anspruchsvoll und zeitintensiv.“ sagt Lukas Fischer, Research Manager Data Science am SCCH und Gründungsmitglied des Vereins. Genutzt werden auch die Erfahrungen aus dem Annotation-Pilotprojekt bei Kapsch TrafficCom, das seit 2019 läuft. Seitdem wurden dort über 90 Arbeitstrainings organisiert, woraus immer wieder Dienstverhältnisse entstehen. Aktuell sind dort 8 Personen als Annotierer:innen angestellt. Ein großer Teil davon sind Menschen im Autismus-Spektrum.

Verein bietet Jobchancen 

Menschen im Autismus-Spektrum, auch solche mit überdurchschnittlichem Bildungsniveau, sind unverhältnismäßig stark von Arbeitslosigkeit betroffen. 80.000 Menschen in Österreich sind Autisten, davon hat etwa jeder Dritte das Asperger-Syndrom. Diese Gruppe besitzt oft spezielle Talente, von denen Unternehmen profitieren könnten. Trotzdem sind 80 Prozent dieser Menschen arbeitslos. „Dieses Projekt hat aus unserer Sicht großes Potenzial, gerade für Menschen im Autismusspektrum. Es ist hinlänglich bekannt, dass autistische Personen häufig ihr individuelles Potential (z.B. detailfokussierter Arbeitsstil, Fähigkeit zur Mustererkennung, präzises Finden von Fehlern) im beruflichen Alltag aufgrund der vorherrschenden Rahmenbedingungen nicht ausschöpfen können. Responsible Annotation hat die Chance hier in Österreich einen Meilenstein für viele arbeitssuchende autistische Menschen zu setzen“, erklärt Dominik Laister, der auch im Autismuskompetenzzentrum der BHB Linz tätig ist.

Feste Strukturen und das Gefühl von Sicherheit 

„Für mich bedeutet die Arbeit bei Kapsch vor allem eine feste Struktur mit genauer Aufgabe und Zielsetzung. Es gibt einem ein Gefühl von Sicherheit in schweren Zeiten wie diesen“, sagt Claudia Hasieber, Annotatorin bei Kapsch TrafficCom AG. Und Kadir Öztürk ergänzt: „Ich habe diese Chance bekommen. Zusammen mit meinen Kolleg:innen habe ich einen Job mit Verantwortung, wo wir selbständig am Computer arbeiten können, wo wir gefordert werden und trotzdem können wir das gut schaffen. Im Team arbeiten wir gut zusammen. Ich bekomme Unterstützung von einem Jobcoach oder von meiner Chefin. Ich bin sehr zufrieden und dankbar dafür“. Dass die Kinder einen Arbeitsplatz finden, ist natürlich auch für die Eltern eine Erleichterung. „Für unsere Kinder ist das natürlich eine super Sache. Endlich können sie ihre Fähigkeiten bei einer sinnvollen Tätigkeit einbringen. Das hebt das Selbstwertgefühl und gibt ihnen das Gefühl, wertgeschätzt und ernst genommen zu werden“, sagt Regina Withake, Mutter eines erwachsenen autistischen Sohnes.

In Österreich einzigartig 

„Unser Ziel ist es, bestmöglich die Chancen der digitalen Revolution zu nutzen, die gerade passiert: für eine Gruppe von Menschen, für die der Arbeitsmarkt nur sehr erschwert zugänglich ist. Wir hoffen, dass unsere Initiative auch dazu beiträgt, das Bewusstsein für die Bedeutung von Inklusion zu schaffen und Perspektiven zu erweitern“, sagt Hartl. In Zukunft könnte es auch in den Bundesländern solche Annotations-Büros geben. „Vergeben die Unternehmen die Annotationsaufträge in Österreich, wirkt sich das auch positiv auf das Thema Datenschutz aus, da Datenübermittlungen außerhalb Europa durch die DSGVO besondere Maßnahmen erfordern. Gleiche Sprache und gleiche Zeitzone, sowie ein gemeinsames kulturelles Verständnis erleichtern außerdem die Zusammenarbeit. Der Fokus Qualität kann so viel besser umgesetzt werden, und KI-Entwickler entlastet“, so Hartl.  

Kontakt

Software Competence Center Hagenberg GmbH (SCCH)
Softwarepark 32a
4232 Hagenberg
www.scch.at 


Das könnte Sie auch interessieren: